Melanie Dolph berät pflegende Angehörige. Sie vermittelt Therapien und Hilfen –und sie sagt: Niemand muss dem „Schreckgespenst Demenz“ hilflos gegenüberstehen
KITZINGEN.Was bin ich? Beimheiteren Berufe-Raten mit Robert Lembke hätte Melanie Dolph gute Chancen auf einen Gewinn gehabt. Die 35-Jährige ist Gerontologin. Mit „Alternswissenschaftlerin“ beschreibt sie selbst ihren Beruf: „Ich bin jemand, der sich mit dem Alter und dem Altern befasst.“ Als Nachfolgerin von Petra Dlugosch leitet die Kitzingerin seit kurzem die Fachstelle für pflegende Angehörigemit der angeschlossenen Demenz-Servicestelle in der Kitzinger Paul-Eber-Straße. Ihr Ziel: Durch tatkräftige Hilfe und Aufklärung von Angehörigen und Betroffenen will sie dem vermeintlichen Damoklesschwert Demenz seine Bedrohlichkeit nehmen.
Man kann etwas dagegen tun Beraten, begleiten, informieren: Das sind Melanie Dolphs Hauptaufgaben in der Fachstelle. „Meist kommen Frauen zumir, seltenerMänner. Und meist sind die Besucherinnen mindestens 60 Jahre alt, oft älter“, berichtet Dolph. Dabei wäre es viel besser, wenn auch jüngere Menschen sich schon mit der Thematik befassen würden: „Denn erstens kann man Alzheimer und Co. auch vorbeugen und zweitens ist es gut zu wissen, wie man mit Betroffenen umgeht. Das erleichtert das Leben für alle enorm.“
Sehr gefreut hat sich die Gerontologin, als kürzlich eine ganze Familie inklusive der Enkelin zur Beratung kam, als die Oma plötzlich pflegebedürftig wurde. „Da konnte man gemeinsam besprechen, wie man die Krankheit mildern und die Lebensqualität hoch halten kann.“ Melanie Dolph kennt sich mit Pflege sehr gut aus. Die gebürtige Sickershäuserin ist examinierte Pflegefachkraft und hat jahrelang im Mehrgenerationenhaus St. Elisabeth in Kitzingen gearbeitet. Dort lernte sie Petra Dlugosch kennen, die an der Uni in Nürnberg Gerontologie studiert hatte. „Ihre Erzählungen haben mich angefixt, ich wollte das auch machen.“ Gesagt, getan. „Es war ein unglaublich spannendes, interessantes und tolles Studium.“ Da Dolph zuvor schon Pflege- und Gesundheitsmanagement in Würzburg studiert hatte, übernahm sie als junge Gerontologin zunächst die Leitung eines ambulanten Pflegedienstes in Würzburg. Dann führte sie das Antoniushaus der Oberzeller Schwestern. Nach dreieinhalb Jahren drohte jedoch der Burnout. „In der Coronazeit war die Verantwortung fürs Personal eine riesige Bürde.“ Oft habe sie sich gefühlt wie Sisyphus, wenn sie versuchte, alle Schichten zu besetzen, obwohl Pflegekräfte erkrankt waren. „Ich stand vor dem Dienstplan und wusste, jetzt könnte nur noch jemand einspringen, der schon zwei Wochen am Stück gearbeitet hat. Oft blieb nur noch, selbst einzuspringen, zusätzlich zumeinemeigenen Dienst.“
Wie ein Fingerzeig erschien Melanie Dolph daher eine Initiativbewerbung bei der Fachstelle für pflegende Angehörige, nachdem sie erfahren hatte, dass Petra Dlugosch in den Ruhestand geht. „Ich wusste: Das wäre genau mein Ding.“ Warum? „Mein Herz schlägt für Senioren. Schon immer“, sagt die 35-Jährige, die es als Kind beinahe täglich auf den nahen Hof von Oma und Opa gezogen hatte. „Auch die Uroma hat da noch gewohnt.“ Das Leben mit den älteren Herrschaften sei so vielfältig, bereichernd und inspirierend gewesen, dass sie als 15-Jährige ihr Schulpraktikumunbedingt im Altenheim machen wollte. In der Fachstelle für pflegende Angehörige mit Demenz-Servicestelle vereinen sich nun Melanie Dolphs Leidenschaften für Gerontologie und Pflege. Bei Bedarf macht sie auch Hausbesuche und schaut sich zusammen mit den Familien an, wie man die Wohnung so einrichten kann, dass Demenzkranke sich dort zurechtfinden. „Im fortgeschrittenen Stadium kann es zum Beispiel sinnvoll sein, kleine Bilder an die Küchenschränke zu kleben, so dass man direkt sieht, was sich hinter den Türen verbirgt.“
„Eine ganz normale Krankheit“ Am besten ist es, nicht erst dann nach Hilfsmöglichkeiten zu suchen, wenn die Demenz schon nichtmehr zu übersehen ist. „Wenn eine Demenz frühzeitig erkannt wird, kann man sie lange hinauszögern – sowohl durch Medikamente als auch durch Gedächtnistraining“, weiß Melanie Dolph. Ihr Rat ist deshalb eindeutig: „Nicht abwarten! Frühzeitig aktiv werden!“ Erkrankte zu isolieren, sei kontraproduktiv: „Alleinsein beschleunigt den Abbau. Viel besser ist es, wenn die Nachbarn informiert sind und der Betroffene weiterhin am Leben teilhaben kann.“ Dass Menschen noch immer Hemmungen haben, eine Demenz als „ganz normale Krankheit“ anzuerkennen, findet die Gerontologin sehr schade. „Für Demenzmussman sich ebenso wenig schämen wie für Bluthochdruck: Beides sind chronische Erkrankungen, die man behandeln kann.Man ist beiden nicht hilflos ausgeliefert.“
Dolph versteht gut, dass Ängste und Verzweiflung mit der Diagnose Demenz einhergehen. „Aber sobald man versteht, dass Demenz eine von vielen Erkrankungen ist und gerade im Alter häufig wird, dann kann man auch etwas ändern. Ich denke, diese Einsicht ist gerade bei den Angehörigen wichtig.“ Wenn Betroffene und Angehörige sich rechtzeitig mit den Folgen der Krankheit auseinandersetzen, könnten sie „gemeinsam noch viele glückliche Momente erleben“.
Gesucht: „Demenz-Partner“ und Alltagsbegleiter Was ist eine Demenz? Demenz ist der Oberbegriff für neurokognitive Störungen im Gehirn. Im Lauf der Zeit kommt es zu einem vermehrten Abbau der Gedächtnisleistung, einhergehend mit Störungen der Orientierung, Sprache und teilweise des des sozialen Verhaltens. Demenz gehört zu den häufigsten Krankheiten im Alter, etwa 1,5 Millionen Menschen in Deutschland sind demenziell erkrankt.
Neben Medikamenten hilft gezieltes Training von Alltagsaktivitäten, die die Lebensqualität Betroffener verbessern. Kompaktkurs „Demenz-Partner“:
Am heutigen Dienstag, 8. November, findet für alle Angehörigen von Demenz-Patienten sowie für alle, die das Thema interessiert, der Kompaktkurs „Demenz-Partner“ statt. Von 17 bis 18.30 Uhr informieren die beiden Gerontologinnen Petra Dlugosch und Melanie Dolph in der Fachstelle für pflegende Angehörige mit Demenz-Servicestelle (Paul-Eber-Straße 16/18 in Kitzingen) über Demenzerkrankungen und die Begegnung mit Menschen, die unter den verschiedenen Formen von „Vergesslichkeit“ leiden. Der Kurs ist ein Angebot der Fachstelle für pflegende Angehörige mit Demenz-Servicestelle in Kooperation mit dem Mehrgenerationenhaus St. Elisabeth Kitzingen.
Bei großem Interesse wird der Kurs wiederholt, bitte anmelden: 09321/ 267297-10. Die Teilnahme ist kostenlos. Unmittelbar vor der Veranstaltung sind in der Fachstelle Corona-Tests möglich.
Vortrag und Testtag: Wie findet man heraus, ob jemand Demenz hat oder nur „normal“ vergesslich ist? Darum geht es am Dienstag, 15. November, ab 18 Uhr bei einem Vortrag in der Fachstelle für pflegende Angehörige in der Kitzinger Paul-Eber-Straße 16/18. Am Samstag, 19. November, findet ab 10 Uhr
ein Mitmach- und Testtag in der Fachstelle statt.
Anmeldungen für die beiden
kostenfreien Aktionen werden unter Tel. 09321/ 267 297 10 erbeten. (Infos:
www.digidembayern.de)
Alltagsbegleiter:
Menschen, die sich gern mit Senioren beschäftigen, werden vielerorts händeringend gesucht. In Kitzingen bildet die Fachstelle deshalb Alltagsbegleiter aus – kostenfrei. Die Ausbildung umfasst 40 Stunden, Themen sind Krankheitslehre, Kommunikation und Haushaltsführung. Alltagshelfer, die mit Senioren spazieren gehen oder sie zum Arzt und so weiter begleiten, können je nach Einsatz bis zu 250 Euro pro Monat steuerfrei verdienen. Die Fachstelle vermittelt die Alltagshelfer, um pflegende Angehörige zu entlasten. Alle Infos:
www.demenz-kitzingen. de, Tel. 09321/ 267297-10.