Neues Cannabis Gesetz – Infos der Suchtberatungsstelle in Kitzingen

Das Kitzinger Team der Psychosozialen Beratungsstelle für Suchtprobleme: (v. Li) Lara Eyrich, Viola Reichherzer, Hanna Gerbig, Silke Ganz (Verwaltung) und Marco Schraud.
________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Wie wirkt sich das neue Cannabis-Gesetz im Rahmen der Suchtberatung aus?

Am 1. April ist das neue Cannabis-Gesetz in Kraft getreten. Unter bestimmten Vorgaben sind Besitz, Anbau und Konsum von Cannabis seitdem für Erwachsene erlaubt. Marco Schraud von der Suchtberatungsstelle in Kitzingen sprach mit der Fundgrube darüber.

Fundgrube (ds): Herr Schraud, wie ist die Suchtberatung in Kitzingen und Umgebung organisiert?

Marco Schraud: Als Psychosoziale Beratungsstelle für Suchtprobleme unter dem Dach des Kreisverbands der Caritas Kitzingen sind wir in Stadt und Landkreis eine Anlaufstelle für rund 90.000 Einwohner. Betroffene oder Angehörige können telefonisch einen Termin vereinbaren oder direkt in unserer Beratungsstelle in der Schrannenstraße 10 in Kitzingen vorbeikommen. Unser Angebot ist auf freiwilliger Basis, vertraulich und kostenfrei, es steht jedem offen, unabhängig von Alter, Sexualität, Religion oder sozialer Stellung. Auch das digitale Angebot wurde erweitert: Über die Internetseite der Caritas oder DigiSucht, eine Initiative des Staatsministeriums für Gesundheit, ist es möglich, sich anonym beraten zu lassen. Zusätzlich gibt es im Raum Kitzingen unterschiedliche Gruppenangebote, die wir auch unterstützen.

FG: Welche Suchterkrankungen umfasst Ihre Beratung?

Marco Schraud: Wir helfen bei Suchterkrankungen aller Art. Die häufigsten Fälle sind Alkohol- und Medikamentenmissbrauch, aber es gibt immer wieder auch Mischkonsum mit Cannabis, Tabak oder illegalen Drogen wie Amphetamine sowie Verhaltenssüchte wie Spielsucht, Kaufsucht oder Essstörungen.

FG: Wie macht sich das neue Cannabis-Gesetz in Ihrer Beratungsstelle bemerkbar?

Marco Schraud: Wir bemerken bisher vor allem ein gestiegenes Informationsbedürfnis. Eltern und Erziehungsberechtigten wenden sich an uns und fragen, wie sie gemeinsam mit ihren Kindern dem Problem begegnen können, wie man in Kontakt bleibt, den Einfluss nicht verliert, Grenzen setzt und durchhält. Wir bieten seit den 90er Jahren Präventionskurse unter dem Namen „Ich bin so frei“ für Schulklassen an. Auch das Präventionsprogramm der Regierung „Cannabis – quo vadis?“ und „Der Grüne Koffer“ werden vermehrt angefragt. Informationen hierzu bekommt man beim Landratsamt Kitzingen.

FG: Wie stehen Sie zu dieser teilweisen Legalisierung?

Marco Schraud: Bezüglich der Entkriminalisierung und bei der Bekämpfung des Schwarzmarktes mit schmutzigem Stoff ist das neue Gesetz sicherlich zu begrüßen. Andererseits ist damit ein weiteres Suchtmittel relativ frei zugänglich. Und die psychischen und gesundheitlichen Folgen von Cannabis können vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen teilweise massiv sein: Antriebslosigkeit, Konzentrationsstörungen, Angststörungen. In jungen Jahren kann das ganze Lebensläufe beeinträchtigen. Gerade aktuell beraten wir einen jungen Mann, dessen Cannabis-Konsum im Alter von 14,15 Jahren bestimmte Phasen seiner Entwicklung beeinträchtigt hat. Das bedauert er heute. Daher braucht es aus unserer Sicht jetzt mehr Prävention.

FG: Also sehen Sie durchaus Gefahren durch das neue Gesetz?

Marco Schraud: Es gibt bei den aktuellen Regelungen Chancen und Probleme. Aber man darf auch nicht vergessen: Alkohol bleibt das Problem Nummer Eins. In Deutschland sterben pro Jahr über 70.000 Menschen an direkten oder indirekten Folgen von Alkoholmissbrauch. Dazu kommen die enormen staatlichen Kosten für alkoholbedingte Krankheiten. Eine aktuelle Studie hat ergeben, dass Alkohol bereits in kleinen Mengen schädlich ist, also ganz entgegen der allgemeinen Meinung zum wohlverdienten Feierabendbier oder dem gemütlichen Schoppen. Daher ist ein verantwortungsvoller Umgang mit Alkohol anzuraten. Bei den Menschen, die bei uns in der Beratungsstelle Hilfe suchen, geht es auch meist um gänzlichen Verzicht.

FG: Was sagen Sie Menschen, die Hemmungen haben, sich an eine Suchtberatung zu wenden?

Marco Schraud: Es ist normal, Scham zu empfinden. Als Konsument ebenso wie als Angehöriger. Aber wir bieten einen geschützten Raum mit Schweigepflicht. Wenn man es schafft, in eine Beratung zu gehen, kommt man aus einem Alltag, in dem man sich nur im Kreis dreht und reagiert, in eine Situation, wo man wieder nach vorne schauen und selbst agieren kann. Das lohnt sich.

FG: Vielen Dank, Herr Schraud, für das interessante Gespräch

Hier finden Sie den Artikel der Fundgrube: Interview Fundgrube- Caritas-Suchtberatung