Foto: Kathrin Schenk | Menschen verschiedener Altersgruppen haben bei Petra Dlugosch (Dritte von links sitzend) die Qualifikation für eine „ehrenamtlich tätige Einzelperson“ erworben.
Kochen, spazieren gehen, putzen, spielen: Als „ehrenamtlich tätige Einzelperson“ verbringt man Zeit mit Menschen ab Pflegegrad 1 – unbezahlbar und doch bezahlt. Jemandem helfen und dafür noch Geld bekommen? Sozial engagiert sein und zugleich die eigene Rente aufbessern oder etwas fürs Studium dazuverdienen? Klingt zu schön, um wahr zu sein? Nein! Denn als „ehrenamtlich tätige Einzelperson“ ist genau das möglich.
Was ist eine „ehrenamtlich tätige Einzelperson“?
Petra Dlugosch, Gerontologin und Diplom-Sozialpädagogin, freut sich sehr, dass Ende des Vorjahres 35 Landkreisbürger am ganztägigen Kurs zur „ehrenamtlich tätigen Einzelperson“ teilgenommen haben: „Mit so vielen hätte ich nie gerechnet!“ Die Ausbildung, die über das Mehrgenerationenhaus Kitzingen organisiert wurde, ist relativ neu, erklärt die ehemalige Leiterin der Fachstelle für pflegende Angehörige. „In dem achtstündigen Kurs werden Interessierte befähigt, ältere Menschen ab Pflegegrad 1 im Alltag zu unterstützen. Das kann durch Gespräche geschehen, durch gemeinsames Spazierengehen, Einkaufen, Spiele spielen, den Haushalt machen, Kochen, Tanzen, Wandern – je nach Bedarf und Ideen.“
Foto: Diana Fuchs | Zum Glück hat die 90-jährige Edelgard (links) ihre „Ersatzaugen“ dabei: Sonja Ebert aus Rödelsee hilft der Kitzingerin beim Einkaufen. „Alleine könnte ich gar nicht erkennen, was auf den Verpackungen steht.“
Wie viel Geld gibt es für die Helferinnen und Helfer?
„Der Obolus ist angelehnt an den Mindestlohn“, weiß Dlugosch. Aktuell sind es mindestens zwölf Euro pro Stunde, die die Pflegekassen steuerfrei zahlen. Die Helfer müssen 16 Jahre alt sein, nach oben gibt es keine Grenze. Nach absolvierter Ausbildung erhalten sie über die Arbeitsgemeinschaft (ArGe) ein Institutionskennzeichen (ArGe IK). Damit können sie ihre Einsätze direkt mit den Pflegekassen der zu Betreuenden abrechnen. „Viele Rentner zum Beispiel wissen gar nicht, dass sie neben einem Minijob auch noch weitere Möglichkeiten haben, ihre Rente steuerfrei aufzubessern“, stellt die Fachfrau fest.
Was gefällt den Helfern an ihrer Arbeit?
Sonja Ebert, 71, Rentnerin aus Rödelsee, hat schon 2018 die Schulung zur Alltagsbegleiterin gemacht. Deren Aufgaben sind vergleichbar mit denen der „ehrenamtlich tätigen Einzelperson“, die Ausbildung ist allerdings intensiver. Ebert sagt, es habe sie immer wieder erschreckt, wie viele alte Menschen es gibt, die alleine sind. „Das finde ich furchtbar!“
Foto: Kathrin Schenk | Menschen verschiedener Altersgruppen haben bei Petra Dlugosch (Dritte von links sitzend) die Qualifikation für eine „ehrenamtlich tätige Einzelperson“ erworben.
Die Rödelseerin hat zuerst zwei Demenzkranke betreut. Aktuell hilft sie einer 90-jährigen Dame, die im Kopf völlig fit ist. „Mir macht das unheimlich viel Spaß. Und, ehrlich, man bekommt auch wirklich viel zurück.“ Ums Geld gehe es ihr bei ihrem Engagement nicht, „aber es ist natürlich eine schöne Wertschätzung“. Generell geben ihr ihre sozialen Tätigkeiten – Ebert leitet auch jeden Mittwoch die Gedächtnistrainings-Gruppe in Rödelsee – ein „richtig gutes Gefühl“.
Muss man eine bestimmte Stundenzahl einhalten?
„Es gibt keinen Zwang, eine bestimmte Stundenzahl im Monat abzuleisten“, weiß Alisia Stein aus Geesdorf, die im Herbst den Helferkurs bei Petra Dlugosch absolviert hat. „Man kann das komplett individuell planen. Ganz entspannt, ja nach Bedarf und Möglichkeit“, sagt die 29-jährige Bürokauffrau, die sich schon immer im sozialen Bereich engagieren wollte. „Es gibt überall Menschen, die Unterstützung brauchen, oft auch in direkter Umgebung.“
Wer kann betreut werden?
Eigentlich gibt es nur eine Vorgabe: Die zu betreuende Person darf nicht direkt mit der Betreuungsperson verwandt sein. Alisia Stein und ihre Tante zum Beispiel kümmern sich um einen Mann in der Wiesentheider Nachbarschaft. Im Gegenzug besuchen Verwandte des Mannes Alisia Steins Oma. „Wir haben uns bei der Schulung in Kitzingen kennengelernt und unterstützen uns jetzt gegenseitig.“ Überhaupt seien bei dem Kurs „tolle Leute“ gewesen, die sich nun vernetzen und austauschen. „Für pflegende Angehörige ist es übrigens kein finanzieller Schaden, wenn sie ab und zu durch die Halbehrenamtlichen entlastet werden“, betont Petra Dlugosch.
Wo kann man sich melden, wenn man die Dienste einer „ehrenamtlich tätigen Einzelperson“ in Anspruch nehmen oder selbst diese Ausbildung absolvieren möchte?
Wer Unterstützung brauchen kann, meldet sich in der Fachstelle in Kitzingen unter Tel.: (09321) 2672970. Wer einen Helferkurs absolvieren möchte, kann sich unter der gleichen Nummer auf die Liste für die nächste Ausbildung setzen lassen.
Warum braucht es überhaupt „ehrenamtlich tätige Einzelpersonen“, „Alltagshelfer“ und Ähnliches?
Hintergrund solcher Fortbildungen ist laut Petra Dlugosch die alternde Bevölkerung. „Man muss den Menschen helfen, möglichst lange zu Hause leben zu können. Nicht nur, weil die meisten nicht in ein Pflegeheim möchten, sondern auch, weil es auf lange Sicht gar nicht genügend Pflegeplätze gibt.“ Ein möglichst großer Pool an Helfern sei nötig, um älteren Menschen das Leben daheim zu ermöglichen und zu verschönern. „Mit den 35 ehrenamtlich tätigen Einzelpersonen, die jetzt ausgebildet wurden, ist ein guter Anfang gemacht, dass Kitzingen gerüstet ist für die geburtenstarken Jahrgänge, die daheim alt werden wollen.“
Ein Beitrag von Diana Fuchs / Main-Post /